Umspannwerk / Elektrizitätswerk

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Kraftakt für die Einheitlichkeit

Dokumentations-Expertin zum Wert einheitlicher Kennzeichnungen, ganzheitlicher Normumsetzung und zum passenden Engineering-System

Seit knapp 30 Jahren arbeitet Sabine Richter (55), studierte Ingenieurökonomin für Energieanwendung, bereits für 50Hertz und deren Rechtsvorgänger. Als Leiterin der Dokumentation ist sie für alle Grundsatzthemen dieses Gebiets verantwortlich und eine Kennerin der Anlagenkennzeichnung sowie verschiedener Dokumentationsthemen und -systeme. Ein Fokus ihrer Arbeit ist die ganzheitliche Themen-Betrachtung und ‑Verknüpfung. Dazu gehören für sie transparente Prozesse ebenso wie partnerschaftliches Entwickeln neuer Wege. Einer dieser Wege ist aktuell das Umsetzen der Anlagenstrukturierungs- und Kennzeichnungs-Norm IEC 81346 samt frisch überarbeitetem Teil 2.

Sie führen gerade mit großem Aufwand die DIN EN IEC 81346 ein, obwohl die schon seit 2010 existiert. Warum jetzt?

Wir müssen die historisch gewachsene Inhomogenität unserer Kennzeichnungsvorschriften endlich beenden. Sie basieren auf einer inzwischen seit 20 Jahren zurückgezogenen Norm und sind nicht durchgängig für Primär- und Sekundärtechnik. Das erfordert viele Sonderfestlegungen, deren Beherrschung längst an ihre Grenzen stößt. Konsistenz und Eindeutigkeit sind zunehmend schwieriger erreichbar. Das beeinträchtigt nicht nur die Integration neuer Technologien in unser Kennzeichnungskonzept, sondern bietet auch Konfliktpotenzial in der Kooperation mit externen Partnern.

Der breite Ansatz der aktuellen Norm erlaubt es, die eigene Philosophie in den gegebenen Rahmen einzuordnen. Allerdings braucht er unbedingt detaillierte Interpretationen, denn das Spektrum der Norm reicht quasi von Kernkraftwerken bis zu Bierzapfanlagen.

Welche Vorteile durch die Umstellung sehen Sie für die Zukunft von 50Hertz?

Ganz klar der ganzheitliche Ansatz! Damit können wir sämtliche 50Hertz-Assets „von oben“ bis zur letzten Klemme durchstrukturieren. Mit dem kürzlich überarbeiteten Teil 2 zur Objektklassifizierung und Erweiterung der Kennbuchstaben wurde die IEC-Norm konsequent weiterentwickelt. Wir müssen keine Kennzeichnungskompromisse mehr machen. Die Aspekte und Prinzipien, die die Norm beschreibt, helfen, klare Arbeitsweisen über das gesamte Projekt einzuhalten. Dank des Struktur-„Baukastens“ können wir jeden neuen Assetbereich nahtlos einordnen. Überhaupt bedeutet die Umsetzung der Norm vornehmlich „strukturieren!“ – wenn man das angenommen hat, kann man das Thema auch ganzheitlich angehen.

Mein persönliches Highlight der Norm ist die „Bestandteil-von“-Beziehung, einer der am häufigsten gebrauchten Begriffe in unserem Team. Solche Prinzipien sind gut nachvollzieh- und vermittelbar. Und ein gutes Verständnis erhöht die Effektivität. Das Anwenden der Norm ist eine klare Basis für den Strukturaufbau von Assetdaten nutzenden Tools wie unserem Assetmanagement-System. Auch im Engineering erleichtert es das Strukturieren, so auch im Zusammenhang mit AUCOTECs Plattform Engineering Base (EB), die wir ebenfalls neu einführen. Wir erwarten, dass die Tiefe, mit der EB die Norm abbilden kann, unserem ganzheitlichen Ansatz am nächsten kommt. Beide Neuerungen, Norm und EB, bedingen sich fast ein bisschen. Von dieser Kombination erwarten wir, für die wachsende Komplexität der Anlagen zukunftsgerecht aufgestellt zu sein.

So eine Normumstellung ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Was bedeutet dieses Projekt für 50Hertz?

Es bedeutet auf jeden Fall einen Kraftakt. Drei Jahre Grundlagenarbeit liegen hinter uns, mit reichlich in- und externer Manpower. Mit der Einführung kommt jetzt eine Übergangszeit, in der wir einige Jahre zweigleisig kennzeichnen. Auch in Bezug auf die Richtlinien müssen wir eine Weile alte und neue Vorschriften parallel gelten lassen. Aber das Ziel lohnt den Kraftakt: einheitliche Kennzeichnung des gesamten 50Hertz-Assetparks samt Dokumentation. Auch die Asset-bezogenen IT-Tools sollen den Festlegungen folgen.

Wie soll die Umsetzung aussehen?

Weil das Umkennzeichnen von Anlagen und ihrer Dokumentation sehr aufwändig ist, werden wir das überwiegend im Rahmen von Projekten nach und nach angehen. Wir „übersetzen“ aber schon jetzt alle 50Hertz-Musterprojekte für die Betriebsmittelbeistellung sowie erste RUPLAN-Bestands-Projekte in den neuen Standard . Ganz wichtig ist uns,  sowohl alle in- als auch externen Partner mitzunehmen. Dafür bieten wir offene Schulungen an. Ab Mai ‘21 können sich Interessenten direkt bei unserem externen Dienstleister Gridlab (+49 30 600 86662) anmelden.

Ein ganz großer Schritt wird auch die Umstellung vom AUCOTEC-Klassiker RUPLAN zu EB. AUCOTEC bereitet gerade für den EVU-Arbeitskreis den Aufbau eines 50Hertz-Schlüsselprojekts in EB nach unseren neuen Richtlinien vor. Ich bin sehr gespannt!

Sie wollen also Ihre hart erarbeiteten Kennzeichnungs-Richtlinien in AUCOTECs EVU-Arbeitskreis tragen. Warum?

Im EVU-Arbeitskreis treffen wir uns als BranchenkollegInnen, um von einem intensiven Fachaustausch auf breiter Basis zu profitieren. Netzbetreiber stehen ja nicht im direkten Wettbewerb. Wir haben sehr ähnliche Ziele und Herausforderungen, da muss man das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Indem wir unsere Ergebnisse weitertragen, stärken wir das Kennzeichnungsthema in der Branche. Je mehr Partner unseren Weg mitgehen, desto mehr Einheitlichkeit schaffen wir. Das wird uns und den Zulieferern die Arbeit deutlich erleichtern. Außerdem geben wir im Arbeitskreis auch Impulse für EB und unterstützen damit die Praxisorientierung der Lösung. Ob dann EB für eine noch breitere Akzeptanz der Norm sorgt oder umgekehrt, die Notwendigkeit zur Normumsetzung für eine breitere Nachfrage nach EB, wird man sehen. Das Entscheidende ist, dass die Einheitlichkeit und damit Vereinfachung und Transparenz gewinnen - das ist unser Ziel.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Richter!

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